Ich habe ja gesagt, dass ich von meiner Großmutter berichten wollte. Toll, was kann es wohl Interessanteres geben, als einem Typen von seiner längst verstorbenen Oma zu zu hören. Aber vielleicht gibt es ja doch einen guten Grund dafür, warum er das tut.
Ja, ich bewundere meine Großmutter und wenn es ein Vorbild für mich gibt, dann ist sie es. Ein klein bißchen muß ich dafür ihre Geschichte erzählen; Geboren 1914 und damit zu Beginn des 2. Weltkrieges im besten heiratsfähigen Alter, was sie natürlich als attraktive Frau auch tat. Noch während der Krieg tobte, brachte sie zwei Kinder zur Welt, nicht wissend, was das Leben für sie bereit halten würde. Als der Krieg beendet war hatte sie keinen Ehemann mehr, da dieser den Krieg nicht überleben durfte, aber zwei kleine Kinder und einen Vater, mit denen sie sich auf den Marsch gen Westen machte. Natürlich all das zurücklassend, was sie nicht unbedingt benötigte. In Guten Paren im Brandenburgischen fand sie dann einen Ort, wo sie erst einmal rasten konnte. Wobei rasten nicht richtig ist, denn natürlich ging es darum, etwas zu Essen zu bekommen, also Feldarbeit und das ganze Drumherum. Die Kinder wuchsen, der Vater alterte und irgendwann reifte der Entschluß, in die Nähe ihrer Schwester zu kommen, die mittlerweile in Niedersachsen lebte. Also wieder die Habseligkeiten zusammen packen und weiter ziehen. Sie erwartete natürlich, in einem Auffanglager irgendwo im Norden Deutschlands aufgenommen zu werden, aber das Schicksal hatte anderes mit ihr vor: Kirchzarten, ein Dorf im Schwarzwald, wurde ihr zugewiesen. Wald, Süden, keine Kartoffeln und keine Verwandten in der Nähe. Mußte das jetzt auch noch sein? Aber als gute Preußin beklagt man sich nicht, sondern beißt die Zähne zusammen und arbeitet. Und so baute sie sich wieder ein neues Leben auf, mit nichts außer einem Haufen Verantwortung. Soweit zu ein paar Stationen ihres Lebens, die ich natürlich nur aus Anekdoten kenne.
Jetzt komme ich mit ins Spiel. Sämtliche Winter- und Sommerferien verbrachten mein Bruder und ich bei ihr in Freiburg, mal mit, mal ohne meine Eltern. Und vielleicht verkläre ich die Zeit, aber ich kann mich trotz der vielen Wochen und Monate, die wir letztendlich bei ihr weilten nicht an böse Worte oder Lieblosigkeit erinnern, obwohl sie während der Zeit natürlich selbst arbeiten ging. Ich erinnere mich nur an ihre Liebe und Dankbarkeit. Und das war für mich ganz natürlich, meine Oma war eine glpückliche und dankbare Frau. Sie pflegte ihren Vater bis dieser mit über neunzig Jahren starb zuhause, hatte keinen neuen Mann, wenig Freunde, aber ganz viel Disziplin. Erst als ich selber älter wurde begann ich darüber nachzudenken, wie sie es schaffte, mit all dieser Vergangenheit so zufrieden zu wirken?! Sie hat mir gegenüber nie geklagt, auch nicht, als ich erwachsener wurde, nicht als sie dann später, schon berentet, einen wundervollen Mann lieben durfte, der leider viel zu früh an einem Herzinfarkt starb, nicht als sie ihre Wohnung aufgeben musste, weil sie die vielen Treppen wegen ihrer Gesundheit nicht mehr täglich steigen durfte. Wenn ich an sie denke, sehe ich sie immer aktiv und das hat sie auch ausgemacht. Bei jedem Wetter ist sie täglich spazieren gegangen und hat sich an dem gefreut, was gerade zu sehen war. Jede Jahreszeit hat ihren Reiz, wir müssen nur hinschauen. Ein wärmender Sonnenstrahl mitten im Winter, eine kühlende Brise im Sommer, das Rauschen eines Baches, das Singen eines Vogels, die aufkeimende Kraft der Natur im Frühling, das Spiegelbild einer Wolke in einer Pfütze, ... Es ist an uns, das Schöne zu sehen. Wir filtern sowieso permanent, weil wir nie die gesamte Umgebung wahrnehmen können, also filtern wir doch lieber das Störende aus und erfreuen uns an dem Schönen. Machen wir die Welt durch unseren Blickwinkel wertvoller.
Wenn ich mir angucke, was Menschen dafür tun würden, einen deutschen Paß zu besitzen, sich keine Gedanken machen zu müssen, woher sie etwas zu Essen bekommen, ganz selbstverständlich ein Dach über dem Kopf zu haben, dann kann ich nicht anders, als Dankbar zu sein. Ich bin gesegnet, weil ich gesund bin, weil ich Liebe erlebe, weil ich frei bin. Und das ist etwas Wertvolles!
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