Montag, 24. Oktober 2016

Weniger ist mehr

In der neuesten Ausgabe von "Training aktuell" gibt Hermann Scherer ein klares Votum für die Reduktion. In dem Artikel "Jedes Nein ist ein Ja zur Qualität" erläutert er, warum es besser ist, sich auf das zu begrenzen, was man richtig gut kann. Warum es gesünder ist, seiner Herzensangelegenheit zu folgen, statt überall am Kuchen knabbern zu wollen. Nun ist diese Aussage ganz bestimmt nicht neu. Auch ich habe dieses Wissen und versuche es auch immer wieder anzuwenden. Anwenden? Ja, denn etwas zu Wissen ist ganz was anderes, als es zu Tun. Und da gibt es manche Dinge, die leichter den Weg vom Erkennen zum Handeln finden, und manche brauchen dafür länger. Warum ist das so? Eigentlich sollte man doch davon ausgehen, dass ich keine Probleme habe, etwas umzusetzen wenn ich es als richtig erkannt habe. Vorausgesetzt, die Ressourcen und alle Bedingungen sind vorhanden.
Eigentlich. Aber die Realität sieht anders aus. Zwei Beispiele aus meinem Alltag: Ich weiss, das Heilung immer ihre Zeit braucht und ich bestimmte Schleusen nur öffnen kann. Die Bereitschaft, stärker in den Fluss zu kommen, muss der Körper des Patienten selbst bereitstellen. Also gilt es, gerade im Sinne der Osteopathie, Momente des Haltens und Unterstützens zu bieten. Nicht gleich die nächste Technik drauf zu setzen und sofort ein Ergebnis zu erwarten. Aber meine innere Ungeduld übernimmt da manches Mal die Kontrolle während einer Behandlung und lässt mich schnell eine andere Technik, einen anderen Griff versuchen, statt das Warten auszuhalten. Nach dem Motto: Ich habe so viele Techniken das eine wohl passen wird! Ich weiss, das dies der ineffizientere Ansatz ist, aber mein Gefühl, schnell besser sein zu wollen/beweisen zu wollen, dass ich das kann, übernimmt die Kontrolle. Das Gefühl ist immer stärker als der Verstand.
Zweites Beispiel: Ich habe mich bei meinen Seminaren bewusst auf einen Komplex beschränkt, weil ich hier ganz viel Erfahrung und auch Lust am Vermitteln und Weiterlernen habe. Das macht es einfacher gute Trainings zu geben und auch Skripte zu schreiben, die meinen Ansprüchen genügen. Gleichzeitig fühle ich mich damit sicher und setze mich nicht permanent unter Druck das 'Es noch nicht gut genug ist'. Jetzt kam gerade wieder eine Anfrage, ob ich für einen Träger ein neues Trainingskonzept erstellen würde. Sie würden das gerne ausschliesslich mit mir machen, weil ich so gut passen würde. Das Thema ist auch noch super spannend und wird auch in Zukunft aktuell sein. Also auch langfristig ein Gewinn. Sofort habe ich recherchiert, Bücher bestellt, gelesen, Kontakte hergestellt um den Blick von Innen zu bekommen und und und. Weil ich mich so wertgeschätzt und gebauchpinselt fühlte, brauchte ich trotz meiner sofortigen Skepsis einige lange Zeit bis ich realisierte, dass ich genau das tat, was ich definitiv nicht wollte. Mich schon wieder breiter aufzustellen, statt zu fokussieren. Da hat mein Wunsch nach Sicherheit und das Gefallen-Wollen die Regie übernommen. Unbewusste Antreiber, die ihre Chance gewittert und genutzt haben.
Ich will hier gar nicht auf die Antreiber eingehen, auf die Glaubenssätze, die dahinter stehen, auf die Ursachen. Bedeutsamer sind mir die Mechanismen, die wir alle kennen; Änderungen fallen anfangs schwer und benötigen viel Energie bis sie etabliert sind. Unser Unterbewußtsein nutzt jede Chance die Regie zu übernehmen und gehört in diesem Fall hinterfragt. Wenn ich dann einsehe, dass es mir etwas aktuell Wertvolles mitteilen will, dann sollte ich darauf eingehen. Wenn nicht, dann danke für den Hinweis, aber Nein! Und das ist immer wieder ein Prozess, der Zeit, Aufmerksamkeit und Geduld braucht. Und es ist normal, dass es nicht sofort klappt. Fahrradfahren haben wir auch nicht an einem Tag gelernt, also sei geduldig mit Dir. Denn jede bewusste Änderung, die wir unternehmen soll uns nicht nur beim erreichten Ziel Freude bereiten, sondern möglichst auch bei Weg dorthin. In diesem Sinne: Hab Spaß!

4 Kommentare:

  1. Mein Lieber,

    Fokussierung ist gut, aber Job ist Job. Wir leben alle nicht von Luft und Liebe und gerade Dein Job ist sehr von Deiner Persönlichkeit abhängig. Vielleicht siehst Du es so, dass der Fokus weiter auf Dich und Deine Art liegt ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für Dein Kompliment - So lese ich es zumindest. Ich weiss, das ich einzigartig bin :-)
      Aber ich glaube, um wirklich gut sein zu können, ist es wichtig neben dem Persönlichen auch inhaltlich top zu sein.

      Löschen
    2. Ich glaube das eine bedingt das andere :-)

      Löschen